Fragen zu Antolin

Frau Scherer, Lehramtsstudentin: Interviewfragen zu Antolin

1. Wie können Sie die Grundidee Antolins beschreiben?

a) Die Faszination der elektronischen Medien ist ungebrochen, insbesondere dann, wenn sie mit einer gewissen Form von Interaktivität einhergeht. Antolin greift dieses Element auf und verbindet es mit dem Lesen von Büchern.

b) Genauso wichtig erscheint mir das Faktum, dass Antolin in der Lage ist, die Leseaktivitäten (und damit die Leseleistungen) der Schüler aufzuzeichnen. Das war vor Antolin nicht so präzise möglich (Wobei ich nicht behaupten will, dass Antolin nicht auch überlistet werden kann). Diese Aufzeichnungen dienen einerseits dem Schüler, da seine Lesemotivation (in der Regel) dadurch angeregt wird. Sie dienen andererseits aber auch dem Lehrer, da dieser eine bessere Übersicht über die Leseaktivitäten seiner Schüler erhält.

c) Durch Antolin ergeben sich möglicherweise auch Änderungen im lese-didaktischen Bereich. Hier wird das eigenständige, individuelle Lesen betont (und nicht so sehr die systematische literarische Analyse). Eine weitere Veränderung könnte sich in der zunehmenden Verwendung der Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht ergeben. Beide Tendenzen begrüße ich.

2. Wie sind Sie auf den Namen Antolin gekommen?
Es sollte ein Name sein, der mit A beginnt. Er sollte leicht aussprechbar sein, nicht nur für deutsche Kinder. Die passenden deutschen Namen waren bereits alle als Domain-Namen besetzt, so wagten wir den Blick nach Frankreich/ Spanien (Antolin = span. Vorname).

3. Antolin ist heute sehr beliebt und weit verbreitet. Was können Sie zu dessen Verlauf sagen?
Das freut mich natürlich; glaube ich doch, dass damit auch eine bemerkbare Hinwendung zum physischen Buch erfolgt. Jeder, der mit Schülern zu tun hat, wird bestätigen, dass dies höchst notwendig ist.
Allerdings kann Antolin nicht den gesamten Lesebereich in der Schule abdecken. Es gibt eine ganze Reihe weiterer, guter und wichtiger Wege, Schüler an Bücher und an Geschichten heranzuführen. Ich denke hier zum Beispiel an das Internet-Programm Onilo (www.onilo.de). Während Antolin für das leise, individuelle Lesen steht, deckt Onilo das laute, gemeinsame Lesen und Erleben von Geschichten ab. Ebenfalls ein Bereich, der nicht vernachlässigt werden sollte.

4. Wer profitiert am meisten von Antolin? (schwache, mittlere oder starke Leser)
Weiß ich nicht, es gibt keine wissenschaftl. Untersuchungen. Ich denke aber, dass dies sehr von dem Engagement des Lehrers abhängt. (Will der Lehrer die Sache für schwache Leser gut machen, fällt mehr Arbeit für ihn an.)

5. Wer hat den größten Lesemotivationszuwachs? Gibt es auch hier wieder geschlechtsspezifische Unterschiede?
Entscheidender als die Geschlechterzugehörigkeit ist meiner Meinung nach das Elternhaus, bzw. die Engagiertheit, mit der Eltern die Leseentwicklung ihres Kindes mitverfolgen. (Dazu gehört auch: Wertschätzung der Bücher/ Besitz von Büchern/ Besuch von Büchereien, Buchhandlungen / das Sprechen über Bücher im Familienkreis …)

6. Glauben Sie, dass auch Kinder mit einer habituell intrinsischen Lesemotivation durch dieses Programm motiviert werden können?
Streng genommen brauchen diese Kinder Antolin nicht mehr.

7. Im Antolin Nutzerhandbuch steht, dass Kinder aufgrund von Antolin eine eigene Leseidentität aufbauen können. Was trägt Ihrer Meinung nach am meisten dazu bei?
Das häufige Lesen, das (vielleicht ) durch Antolin erfolgt, wenn z. B. in der Schule ein freie Lesestunde pro Woche eingerichtet worden ist, wenn der Lehrer immer wieder sich im Unterricht auf Bücher bezieht, wenn Bücher-/ Leseaktionen zusätzlich neben Antolin her passieren.

8. Im Gegensatz zu der von Bamberger entwickelten Leseolympiade verwenden Sie keine zusätzlichen Tests, die die Lesegeschwindigkeit prüfen. Warum?
Ich hasse die vielen Tests, in welcher Form auch immer, die auf die Schüler losgelassen werden. Durch Tests kann man kaum Freude – oder intrinsische Lesemotivation erzeugen.
Viele Tests sind absolut unnötig – (und werden vom Lehrer oftmals auch nicht entsprechend ausgewertet). Was hierbei verloren geht, ist die Freude am Lesen.

9. Nach welchen Kriterien wählen Sie Bücher aus, zu denen es Quizfragen in Antolin gibt?
Am liebsten würden wir gerne alle Bücher in Antolin aufnehmen, schaffen dies aus Kapazitätsgründen aber nicht.
Nicht aufgenommen werden Bücher rechtsradikaler oder unmoralischer, sexuell allzu freizügiger Inhalte.

10. Wie würden Sie die Auswahl charakterisieren? Gibt es auch Kinderbuchklassiker oder wird vermehrt Wert auf aktuelle KJL gelegt?
Sowohl – als auch!

11. Können sie sagen, dass manche Bücher oder Genres besonders oft gelesen werden? Wenn ja, können Sie sich darauf einen Reim machen?
Bitte sehen Sie selbst nach: Bei jedem Buch finden Sie die Bearbeitungszahlen (=Lesezahlen). Oder sehen Sie bei den TOP 100 nach.
Meiner Erfahrung nach kann man dies nicht pauschal sagen. Das hängt von der Zeit, von den Trends ab. Im Augenblick beobachte ich besonders die Entwicklung der „Comic – Romane“, wie z.B. „Gregs Tagebuch“.

12. Sie haben sich bewusst dafür entschieden, keine Bücher online zu stellen bzw. lesen zu können. Warum?
Wir wollen die Kinder zu den physischen Büchern, zum Lesen von (physischen) Büchern hinführen, nicht zum Computer. (Im digitalen Raum sehen wir – als Pädagogen – nicht die Notwendigkeit.)

13. Könnten Sie es sich vorstellen, Hörbücher auf Antolin anzubieten?
Ja, durchaus; ist aber organisatorisch, technisch nicht leicht machbar. Zu hoher Aufwand.

14. Wie können sie die Konzeption der Quizfragen beschreiben?

a) Blaue Fragensätze: Linear aufgebaut, analog der Story. Inhaltliche Abfrage; sollten nicht zu schwer sein. Ein mittel begabtes Kind, das die Geschichte gelesen hat, sollte auch den Fragensatz ohne größere Schwierigkeiten bearbeiten können.

b) Roter Fragensatz: 10 Inhaltsfragen, wie oben. Plus 5 „Nachdenkfragen“. Hier reicht es nicht aus, nur den Inhalt zu kennen. Hier sollen die Schüler eingeladen werden, auch komplizierte Fragen zu lösen: über die Charaktere der Geschichte, über Zusammenhänge, über historische Bezüge, über Aufbau und Struktur der Geschichte …

c) Nachschlage- Fragensätze (Sachbücher): Hier sollen die Schüler sich im Nachschlagen (geleitet von Stichwörtern) üben.

15. Welche Typen werden signifikant häufiger beantwortet? Gibt es diesbezüglich geschlechtsspezifische Unterschiede?
Weiß ich nicht so genau, denke aber die blauen Fragensätze.

16. Wurde dabei das in IGLU zu Grunde liegende Informationsverständnis berücksichtigt?
Nein, nicht im Speziellen. Diese Sache tangiert uns nicht direkt. Aber man könnte in Antolin durchaus Derartiges einbauen. Die Frage ist nur, wie man dies mit dem Medium Buch verbinden kann. Das Buch soll weiterhin in Antolin im Zentrum stehen. Aber das wäre des Nachdenkens wert.

17. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an Multiple-Choice-Fragen, die den Antolin-Quiz zu Grunde liegen?
Es ist eine einfache, überschaubare, leicht verständliche Methode, die Schüler auch über längere Zeiten hinweg zu motivieren versteht. (Auch das „Produzieren“ von derartigen Fragesätzen ist nicht sehr schwer.)

18. Meinen Sie, dass das Lesen in der Schule mit dem Lesen am Nachmittag verknüpft werden kann? Wenn ja, bei allen Kindern gleichermaßen?
Ja, das wäre schön. Meine auch, dass dies auf jeden Fall möglich sein müsste. Ideal für den Nachmittagsunterricht halte ich Onilo (www.onilo.de) bzw. eine Kombination der beiden Portale.
Allerdings geht diese vermutlich nicht ohne eine engagierte Lehrkraft. (Kein Internet-Portal hat auf Dauer die Kraft, die Kinder über längere Zeit an sich zu binden. Hier ist die Person des Lehrers/ Erziehers unendlich wichtig! Erziehung/ Pädagogik wird auch in der Zukunft an die Persönlichkeit des Lehrers/ Erziehers gekoppelt sein!!! Je stärker die Persönlichkeit, je engagierter die Lehrkraft – umso besser!)

19. Die Leselisten tragen zu extensivem Lesen bei. Warum sind diese freiwillig und nicht verbindlich, denn so könnte man sichergehen, dass alle Schüler wirklich Bücher lesen?
Aber das können wir doch nicht (und wollen dies auch nicht) erzwingen! Antolin ist nur ein Angebot, ein Hilfsmittel für den Lehrer/ die Eltern – mehr nicht!

20. Was sind die Vorteile Antolins gegenüber dem reinen Viellese-Verfahrens und den Verfahren der Leseanimation (Bsp. Lesenacht oder Autorenlesung)?
Antolin ist auf Nachhaltigkeit durch Beständigkeit und permanenter Erreichbarkeit angelegt. Je unspektakulärer, normaler, unauffälliger, alltagsüblicher Antolin in den Schulalltag eingebaut ist, umso besser:
Eine Antolin-Stunde pro Woche (nach Stundenplan), engagiertes Verfolgen der Leseaktivitäten durch den Lehrer, hin und wieder eine spezielle Leseaktion, regelmäßiges Informieren und Aufmuntern der Eltern, regelmäßiges Ansprechen literarischer Themen im Unterricht – das ist es, das sind die Vorteile. Der Lehrer sollte einen Weg finden, mit möglichst wenig Kraft (Kraftverlust) Antolin zu betreiben, als ganz normales U-mittel.

21. Gibt es mögliche Grenzen oder Schwächen bei Antolin?
Aber natürlich. Onilo wurde geschaffen – wegen einiger Schwachstellen von Antolin (lautes Lesen/ gemeinsames Lesen und Erleben von Geschichten mit dem Lehrer zusammen). Aber es gibt noch mehr.

22. Sind mögliche Erweiterungen oder Änderungen an Antolin geplant?
Derartiges ist immer angebracht und machbar. Hierüber möchte ich aber keine Auskunft geben.