Schon die dritte Begegnung rund um Adalbert Stifter’s “Hochwald”

Schüler aus Hauzenberg und Krumau trafen sich auf der Burgruine Wittinghausen

Der böhmische Wind zeigte sich diesmal von seiner unbarmherzigen Seite. Klirrend kalt, mit Regentropfen unterfüttert, vor allem aber wuchtig pfiff er um den “luftblauen Würfel” (Stifter), in Wirklichkeit ein Prisma, der Ruine Wittinghausen, als wollte er sie umstoßen. Aber Stifter, für den die Wälder Böhmens Ruhepol, Liebesobjekt und Inspiration zugleich waren, muss auch diese Laune der Natur akzeptiert haben, denn sie kommt in seinen Werken so oft nicht vor. Und wenn, dann eher in dramaturgischer Absicht. Oberplan (Horní Planá), der Ort seiner Kindheit und Jugend, ist von Wittinghausen gerade mal 25 Kilometer entfernt, 

Wer, wie Karel und Gregor, Mari und Julia, Schüler der Sportmittelschule Hauzenberg und der Za Nádražím, Český Krumlov, an einem solchen Herbsttag an der oberen Aussichtsplattform des erst vor einigen Jahren sanierten Wohnturms steht, mit dem Sturmgewitter im Rücken, findet wohl auch auf diese Weise Zugang zu Stifters Worten: ”Da ruhen die breiten Waldesrücken und steigen lieblich schwarzblau dämmernd ab gegen den Silberblick der Moldau; – westlich blauet Forst an Forst in angenehmer Färbung.” So manch einer bekam eine Ahnung von “dem Lieben und Wehmütigen eines solchen Anblicks”, von dem Stifter spricht.

Der Blick von oben war wichtig für die vier, waren sie doch für eine Stunde ein Team, paritätisch zusammengesetzt aus Tschechien und Deutschland, und hatten ein Geheft von sieben Seiten zu bearbeiten, dessen Aufgaben in deutsch, tschechisch und englisch gefasst waren. Hier oben galt es, unter erschwerten Bedingungen die Himmelsrichtungen auszumachen, den Lipno-Stausee, Österreich und den Plöckenstein zu finden. 

Nach Oberplan und dem Plöckensteinsee stand nun im Rahmen des Projekts “Der Hochwald” von Adalbert Stifter die Ruinenwelt von Wittinghausen im Mittelpunkt, einem weiteren Lieblingsort des Schriftstellers und Malers, Ausgangs- und Endpunkt seiner Erzählung “Der Hochwald”, die einst bei Dichterfreunden, aber auch bei den einfachen Menschen Begeisterung hervorrief, nicht nur für die Geschichte an sich, sondern auch für die raue, kernige Natur, für die berauschende Welt des Böhmerwaldes.

Wo im Burgareal könnte Stifter seinen Gedanken freien Lauf gelassen haben? Ein ähnliches Bild vom in der Natur sitzenden Stifter gibt es vom Plöckensteinsee, nicht aber von hier. Eine weitere Aufgabe für die gemischten Teams. Wo könnte die Notunterkunft von Johanna und Clarissa gewesen sein, als sie nach der Zerschlagung der Burg zurückgekehrt waren. Wo standen die schwedischen Truppen vor dem Kampf? Wo sind der Wittinghauser und Ronald begraben? An einem geheimen Ort sollte etwas gefunden werden, das gleichsam das Label des Witigonen-Geschlechts werden sollte: eine Rose. Anschließend suchte man die stilisierte Blume, fünfblättrig diesmal, in den Ruinen. Eine Kleinigkeit, diese zu finden. Nicht nur in Rot, auch in Silber, in Gold und in Grün.

Vorausgegangen war dieser Teamarbeit ein Input über den Schluss des “Hochwaldes”, einem Drama in fast schon altgriechischer Dimension. Sturheit und Engstirnigkeit des sonst so menschlichen, gutmütigen Wittinghausers lösten das bedauernswerte Ende aus. Clarissa und Johanna, dessen Töchter, führten von nun an ein trostloses Leben in der Ruinenwelt. 

Mit Schülern an einem solch romantischen Werk zu arbeiten, in dem Stimmungsgefühle sowie Lobpreisungen von Schönheit und Großartigkeit der Natur vorherrschen, bedarf spezieller Methoden. Das Krumau-Hauzenberger Lehrerteam (Chris Plattner, Hans Simmerl, Jarka Plichtova und Katka Kaliskova.) wählte folgende: a) die Ermöglichung des Erlebens  der literarischen Orte (Plöckensteinsee, Wittinghausen, Oberplan), was bei Stifter ein Leichtes ist, b) das Lesen, Vorlesen, aber auch das Erzählen von Textausschnitten des ‘Hochwalds’ sowie c) die Nacharbeit mit modernen Medien, wie Mindmapping, Erstellen von Präsentationen, der Meinungsäußerung durch Webseiten wie z. B. “Zumpad.de” und dem Aufbau einer Ausstellung, die schließlich grenzüberschreitend auf Wanderschaft gehen soll.    

Damit ist die Endrunde des großen Adalbert-Stifter-Projekts der beiden seit über zwanzig Partnerschaftsjahren verbundenen Schulen eingeläutet. Dank der ideellen und finanziellen Unterstützung durch die Euregio Bayerischer Wald – Böhmerwald – Unterer Inn konnte man nahezu ein ganzes Jahr dem großen Literaten widmen. Es hätte A. Stifter sicherlich gefreut zu sehen, dass mit der Arbeit rund um seinen ‘Hochwald’ so ganz nebenbei auch Zuneigung, Respekt und Anerkennung des anderen erfolgte und so manches Pflänzchen Freundschaft gedieh, das in Zukunft weiter blühen wird.

Albert Hoffmann