Neu im Onilo Blog August 2013: “Über die Freude, pädagogisch sinnvoll wirken zu können”

Onilo Blog-Beitrag, August 2013, Albert Hoffmann

Seltsam, da ist man ein Leben lang Lehrer und glaubt zu wissen, wie die Schüler, deren Denkweisen und Gefühlswelten man erleben durfte, zu behandeln sind, bis man an ein Büchlein gerät, das holterdipolter das Wert-Gefüge wanken lässt. Der Verlag bietet es an unter dem Stichwort „Lustiges/ Heiteres“. Wo ist das Kind, das nicht gerne lacht?

Her damit, auch wir möchten Anteil haben an dem, was – so scheint es – Tausende beglückt! Wir sehen unter dem Buchstaben G einen Bus, voll mit Kindern. Dazu der Satz: „Alle Kinder fahren mit dem Bus. Außer Gunther, der liegt drunter.“ Und tatsächlich, auf dem zweiten Blick sieht man tatsächlich …

Wohlgemerkt, es geht hier um ein Buch für Kinder, nicht für Erwachsene mit Vorliebe für schwarzen britischen Humor. Kürzlich besuchte ich eine Schule, an der man von einem Unfall noch ganz betroffen war: ein Mädchen dieser Schule war von einem Auto überrollt worden. Es musste mehrmals operiert werden. Zum Glück brachte ich dieses Buch nicht als Gastgeschenk mit!

Doch geht es nicht auch bei der seit nahezu 200 Jahren unverwüstlichen „Erziehungsfibel“ Struwwelpeter sehr robust her? Wir alle kennen das bittere Ende des Suppenkaspars oder das des Armen Paulinchens. Bei Wilhelm Buschs nicht minder beliebtem Max und Moritz ist es ähnlich. Den Tod dieser beiden beschreibe ich lieber nicht. Wer von uns möchte behaupten, dass er über die Streiche der beiden Protagonisten nicht auch geschmunzelt hätte? Allerdings wohl eher über deren ersten Streiche, nicht so sehr über deren Ende.

Auch wenn ich weiß, dass letztere zwei Bücher zu den erfolgreichsten Werken der deutschen Kinderliteratur gehören, fühle ich mich besser, wenn ich im Unterricht mit Geschichten arbeiten kann, die eine heitere Grundstimmung und gleichzeitig eine lebensbejahende, optimistische Ausrichtung aufweisen. Solche Stunden werden nicht nur von Schülern und Lehrer heiter erlebt, sie haben auch einen fühl- und messbaren pädagogischen Mehrwert. Nebenbei fordern sie beim Lehrer nicht die letzte Kraft, im Gegenteil: sie generieren Freude und Glücksgefühle.

Beispiele hierfür, die nicht nur als Buch, sondern glücklicherweise auch als Boardstories vorliegen:

„Als das Nilpferd Sehnsucht hatte“ von Iris Wewer. Diese Geschichte ist getragen von der Freude, die entsteht, wenn man einem anderen (in diesem Falle: dem Nilpferd) hilft. Die Situationscomic und die fantastische, irreale Logik wirken spannend und befreiend lustig. Eine Geschichte, die bis zum Schluss die Kinder in Atem hält und lachen lässt. Am Ende legen die Kinder das Buch zufrieden und vergnügt zur Seite.

„Ein Drachenfest für Feuerstuhl“ von Erhard Dietl. Vordergründig genießt der Betrachter die Tätigkeiten der Olchi-Familie, weil sie so ganz abseits des üblichen Alltagshandelns liegen. Zu komisch, wenn Olchi-Mama einen Arm voll Müll ins Haus hineinträgt statt heraus oder Olchi-Opa eine Wurfmaschine für Schlamm-Knödel baut.

Doch tiefgründiger betrachtet erleben die Kinder hier zum einen etwas, was sie eigentlich so gerne täten, ihnen aber in der Regel nicht erlaubt wird: im Schlamm wühlen, mit Schlammkugeln werfen, in Pfützen springen.

Zum anderen genießen die Kinder hier, wie schön es ist, in einer intakten Großfamilie zu leben. Mögen Papa, Mama, Opa und Oma in ihrem Tun und Denken noch so bekloppt und schräg agieren, sie verstehen sich bestens: eine Lebensgemeinschaft, die der seelischen Gesundheit nur förderlich sein kann. Die Kinder werden akzeptiert wie sie sind. Gemeinsames Tun steht im Mittelpunkt, das meist in einem irren Fest endet, an dem jeder seine Freude hat.

Es hat lange gedauert, bis die Olchis pädagogisch anerkannt waren. Nun sind sie es, zum Glück. Ähnlich erging es seinerzeit auch Astrid Lindgren mit ihrer Pippi Langstrumpf.

„Pettersson zeltet“ von Sven Nordqvist. Diese Geschichte ist ein Musterbeispiel dafür, wie das Zusammenleben von einem „Großen“(Erwachsener) und einem „Kleinen“ (Kind/ sprechende Katze) aussehen kann; wenn der Große den Kleinen als ganze Person akzeptiert und ihn wie einen Großen behandelt. Was aber nicht heißt, dass der Kleine deswegen sein entwicklungsbedingtes (Kinder-)Denken ablegt und als Erwachsener agiert. Er bleibt Kind, fühlt sich aber bestens vom Großen angenommen und aufgehoben. Welches Kind möchte das nicht: ernst genommen, in liebevoller Weise an die Hand genommen und geführt werden, inmitten eines Umfeldes, das ihm Sicherheit bietet? Mit anderen Worten: in einer größtmöglich heilen Welt seine Kindheit erleben zu dürfen. (Hier steht Sven Nordqvist in der Erzähltradition seiner Landsmännin Astrid Lindgren.)

In dieser Beziehung, die natürlich nicht ohne Brüche und komische Situationen sein kann, ergeben sich immer wieder die lustigsten Szenen, die für befreiendes Lachen bei den Kindern sorgen.

Solcher Art Geschichten zusammen mit Kindern zu lesen und zu erleben, vor allem auch in der Form, wie sie Onilo bietet, bedeutet mehr als nur sinnliche Freude; sie geben dem Lehrer, Vorleser, Büchereimitarbeiter auch die Gewissheit, den Kindern erziehlich Sinnvolles mitgeben zu können – aufgrund einer von Weisheit getragenen, allzeit gültigen Pädagogik.