Neu im Onilo Blog April 2013: „Eine Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele“ (Cicero)

Blog-Beitrag, April 2013,  Albert Hoffmann

Es gibt sie doch – wenn auch nicht in großer Zahl-, die neuen Schulbauten in Deutschland; trotz Schülerrückgang und notorischem Geldmangel für den Bildungsbetrieb. Konzipiert und gebaut werden sie, wie könnte es auch anders sein, nach dem Wissensstand und den ästhetischen Empfindungen des 21. Jahrhunderts. Lichtdurchflutet, in warmer Farbtönung, großzügig angelegt; mit vielfachen Internetanschlüssen, multifunktional gestalteter Aula und Teil-Pausenhofüberdachung.

Es ist an die Nachmittagsbetreuung gedacht, an Arbeitskreise unterschiedlicher Art sowie an die programmatische Ausrichtung der Schule. Alles Elemente, die erfreuen.

Zufall oder nicht, bei all diesen in Stein verwirklichten Schul-Träumen, die ich in letzter Zeit besuchte, Grundschulen zumeist, vermisste ich nach einiger Zeit doch etwas: Bücher. Wo sind sie nur geblieben, die Lebenselexiere des Schulwesens und treuen Begleiter der Kinder- und Jugendzeit seit Anbeginn? Ich rede jetzt nicht von den Lehrbüchern für Mathematik und Biologie; ich spreche von Erich Kästner, Astrid Lindgren, Cornelia Funke, Otfried Preußler, Paul Maar, Heinrich Hoffmann, Wilhelm Busch, Linda Chapman und Timo Parvela. Nach ihnen hielt ich Ausschau, vergeblich zumeist.

Als wir unsere Tochter 1993 an eine amerikanische Privatschule schickten – meine Frau und ich unterrichteten zu jener Zeit an einer Deutschen Schule in Asien – , bekamen wir den Entwurf einer Schule zu Gesicht, der uns in Erstaunen versetzte. Mit der groß dimensionierten und prächtig gebauten Bücherei im Mittelpunkt des Campus hatte sich diese Schule bewusst ein geistiges Zentrum gegeben. Hier war der Herzschlag der Schule zu spüren wie an keinem anderen Ort. Verschwenderisch ausgestattet mit Büchern, den verschiedensten elektronischen Medien, kleineren Extraräumen mit Computern, Druckern, Kopierern, Zeichentischen, Stiften, Klebern für alle möglichen Projektarbeiten, Arbeitstischen für die Nachhilfe (einzelne Eltern kamen freiwillig, um mit Kindern zu lesen oder Mathematik zu üben), mit einem Regal für selbst fabrizierte Bücher der verschiedenen Klassen und Schuljahre. Alles von Fachleuten mustergültig betreut – kurz gesagt, es war der Schulleitung gelungen, inmitten des unruhig-nervigen Schulalltags einen (fast) stillen, anregend-positiven Freiraum zu schaffen – zum Lesen, Lernen und zum Wohlfühlen.

Zurück nach Deutschland: Da gibt es eine kleine Schule etwas abseits der großen Durchgangsstraßen, eine sehr normale, d. h. staatlich geführte Grundschule, die im Laufe ihrer Geschichte immer wieder mit Existenzsorgen zu kämpfen hatte. Was niemand vermuten würde, hat diese Schule es verstanden, den Geist des Lesens und der Bücher institutionell und strukturell zu verankern. Die neu geschaffene Bücherei wurde gezielt in den Bereich integriert, der mit Abstand am meisten frequentiert wird: den Eingangsbereich. Den ca. 55 Schülern stehen weit über 2500 neue Bücher zur Verfügung, die von einer Dame mit großer Liebe und Cleverness betreut und verwaltet werden. Sie ist von Montag- bis Donnerstagvormittag mitten in ihrer Bücherwelt zu finden. Ihre Bezahlung wird von der Gemeinde übernommen. Selbst für ein kleine Gemeinde sind etwas mehr als 400.-€/ Monat kein echtes Problem.

Da diese Bücherei im Schnittpunkt vieler Wege des Schulhauses liegt, kommen die Schüler nicht umhin, als täglich einige Male durch die Bücherei zu laufen. Die Büchereileiterin ist schon hier und hat Zeit für kleine Büchergespräche, für den Hinweis auf ein interessantes Buch, für die Rückgabe und Ausleihe eines neuen Buches. Und siehe da, dieser Service wird gern angenommen.

Aktuelle Klein-Ausstellungen im ganzen Schulhaus, thematisch aufgebaut, monatlich wechselnd, ergänzen die Lese-Philosophie der Schule und schaffen rundum eine dem Lesen förderliche Atmosphäre.

Vielleicht ist es an der Zeit umzudenken: Begnügte man sich bisher, den Kinder- und Jugendbüchern einen Raum zuzuweisen, oftmals an der Peripherie des Schulhauses, so macht es mit dem Wissen der heutigen Zeit mehr Sinn, das ganze Schulumfeld mit einer leseförderlichen Infrastruktur auszustatten. Die Schüler würden sich (in diesem Zukunftsmodell) in einer permanenten Bücher-Umgebung bewegen. Und das Schulgebäude hätte auf einmal eine anregende Atmosphäre. Dazu bräuchte man gar nicht Cicero zitieren.