LasseMaja und die Gauner von Valleby

„Das Schlossgeheimnis“ aus der Buchreihe „Detektivbüro LasseMaja“ von Martin Widmark

Die weltweite Reputation der schwedischen Kinder- und Jugendliteratur ist beeindruckend. Was hat dieses Land nicht schon alles an literarischen Kostbarkeiten hervorgebracht! Jedes zehnte in Schweden veröffentliche Buch ist ein Kinderbuch. Seit Jahrzehnten sind die Bücher schwedischer Autoren ein Exportschlager. 

Natürlich ist Astrid Lindgren, die Grande Dame der schwedischen Kinder- und Jugendliteratur, an erster Stelle zu nennen, die mit ihren Erzählungen rund um ihre Kindheit sowie den Geschichten über das Erlebnis Pubertät oder über Sterben und Tod Generationen bewegte. Aber eine Reihe begnadeter Autoren folgen ihr nach, wie Sven Nordqvist, Rose Lagerkrantz, Ulf Stark, Mikael Engström, Ole Könnecke, Mats Wahl, Annika Thor oder Pija Lindenbaum. 

Nicht zu vergessen Martin Widmark, dessen Protagonisten eine Lebenswelt vorfinden, die ihnen jegliche Freiheit zur Entfaltung lässt. Das Ergebnis: Kinder mit Selbstständigkeit, Welt-Vertrauen und Mut.

Seltsam, seine aktuell so erfolgreiche Reihe „Detektivbüro LasseMaja“ beinhaltet all das, was auch die Bullerbü-Szenen den Kindern der Welt unbewusst vermittelt haben:

  • Eine überschaubare, kleinstädtisch-dörfliche Szenerie, überschaubar und geordnet
  • Respektspersonen, die diese Ordnung aufrecht erhalten, wie z. B. der Polizeichef, der Pfarrer, der Schulleiter
  • Kinder, die in diesem festen äußeren Rahmen eine Unmenge an Freiheit genießen.
  • Eine stabile Welt, der man vertrauen kann; die aber dennoch keine heile Welt darstellt. Nischen für Abenteuer sind in Fülle vorhanden.
  • Den Kindern wird in dieser Welt letztlich nicht übel genommen, dass sie mit Lust und Spaß die Schwächen der Erwachsenen, vor allem der „Respektspersonen“, erspüren.
  • Genug Platz für Lachen, Komik, Leiden, Trauer – Menschlichkeit eben.
  • Viel menschliche Wärme für die Kinder, in der sie körperlich und seelisch gesund aufwachsen können.

Diese Gemengelage, die so typisch für viele schwedische Kinderbücher ist, herrscht auch in Valleby vor, einer kleinen Stadt, in der fest jeder jeden kennt. Aber so winzig kann ein Städtchen gar nicht sein, um nicht auch kriminelle Energie in ihren Mauern zu haben. Wie gut, dass Lasse und Maja, zwei Grundschulkinder aus derselben Klasse den „Geheimnissen“ ihrer Umgebung nachspüren.

Im Juli 2018 erschien ihr 27. Fall, „Das Schlossgeheimnis“: Wenn in Valleby der Schlossherr persönlich, Graf Erik von Farsen, zu einer Schokoladenverkostung der edlen Art einlädt, werden auch schon mal Erwachsene zu Kindern. Mit der Psyche der Menschen scheint sich der Graf auszukennen: ein wenig Glitzer, ein bisschen Glanz, schöne Worte und edle Schokolade lässt auch die härtesten Typen in Valleby dahin schmelzen und ihre Hirne benebeln. In erstaunlich kurzer Zeit sind sie bereit, ihr Erspartes dem Grafen zur Verfügung zu stellen, um sich schon bald im Schokoladen-Business große Gewinne zu erhoffen. Wäre da nicht Lasse und Maja, die mit ihren wachen, detektivisch geschulten Kinderaugen die Ungereimtheiten dieses Deals erkennen würden! Am Ende kommt alles so, wie es die Gerechtigkeit und Sittlichkeit der ehrbaren Bürgerschaft verlangt. 

Martin Widmark, der erfahrene Lehrer, gehört zu der Sorte Autoren, die sich in Kinderseelen traumhaft sicher einfühlen können. Das Sicheinfügen in das reale Leben im Städtchen, das Kratzen an deren Würdenträgern, das schöne Abdriften in die Fantasie sowie die kindgemäße Sprache, all das entstammt der Welt von Grundschulkindern. 

In den LasseMaja-Krimis geht es nie um Leben oder Tod, sehr oft geschehen die Fälle aus irgendeiner Not heraus, manchmal sogar ohne böse Absicht des Täters. Und wenn der Übeltäter ermittelt ist, so schleicht sich beim Leser eher Mitgefühl als Schadenfreude ein. Wiederum kommt einem Astrid Lindgren in den Sinn: Ihre Landstreicher, die nahezu regelmäßig ihr Elternhaus aufsuchten, waren nie böse, falsch oder hinterlistig. 

Mag so mancher Astrid Lindgren vorwerfen, mit Bullerbü Kindern eine Idylle vorzuzaubern, die auch früher so nie existierte, trifft dies auf Martin Widmark sicherlich nicht zu. Bei seinen Figuren tauchen Menschen jeglicher Couleur auf, Licht- und Schattenseiten inklusive.

Geistig-genial verbunden mit den LasseMaja-Geschichten sind die erfrischend heiter-karikaturesken Illustrationen von Helena Willis.  

Detektivbüro LasseMaja – Das Schlossgespenst
Ueberreuter Verlag