Ein Weihnachtsmärchen

“Ein Weihnachtsmärchen”
Von Charles Dickens (Autor), Lisbeth Zwerger (Illustratorin) Verlag: NordSüd
ISBN: 9783314105449

Klassiker wie dieses “Märchen” überdauern ihre Zeit, immer wieder macht es Spaß, sie zu lesen. Der etwas zerzauste Bob Marley kehrt aus dem Jenseits zurück und bittet seinen früheren Geschäftspartner, den verschrobenen Scrooge, händeringend darum, endlich sein Leben zu ändern und mal was Gutes zu tun. Hat er noch eine Chance? Ja, beim Besuch der drei Geister!

Lisbeth Zwerger gelingt es, ihre Illustrationen von den vielen Vorlagen im elisabethanischen Stil zu lösen. Diese Leistung hätte man auch beim Text gerne gesehen.

Lesealter: 12 Jahre
Daumen: 3

Fanny und die Liebe (2021)

“Fanny und die Liebe”
von Sara Ohlsson (Autor), Jutta Bauer (Illustrator), Friederike Buchinger (Übersetzer)
ISBN: 9783895654176
Moritz Verlag

Nennen wir es empathische Begabung, wenn ein Autor/eine Autoin eines Kinderbuchs sich mit schwebender Leichtigkeit im Denken, Sprechen, Fühlen und Handeln auf Kinder-Ebene zu bewegen versteht. Ein Paradebeispiel hierfür kommt wieder einmal aus Schweden: Sara Ohlsson mit “Fanny und die Liebe” aus der Fanny-Reihe. 

Auch wenn mit sechs bis acht Jahren die kindlichen Eigenheiten sowie die Suche nach Welt- und Lebenserfahrung noch bestimmend sind, haben diese Kinder dennoch ein Recht darauf, wertgeschätzt und in ihrer Persönlichkeit ernst genommen zu werden. Wie das funktionieren kann, zeigt uns Sara Ohlsson.

Die kleine Fanny, die mit Ester, ihrer besten Freundin, am liebsten Pferd spielt, wird eines Tages von eben jener Ester aus der Bahn geworfen. Und zwar mit dem Satz: “Du kannst in mich verliebt sein, wenn du willst.” Fanny, hierauf nicht vorbereitet, antwortet ausweichend. Als sich Esther am Schulschluss nicht mehr von ihr verabschiedet, hat Fanny ein Problem. Für Sara Ohlsson reicht die Verstörtheit sowie der Klärungsprozess in Fanny für ein Thema aus. Genug Material für ein ganzes Buch? Aber ja, auch das Leiden der kindlichen Seele hat eine Existenz und beansprucht Raum. 

Wie ein Psychotherapeut nähert sich Sara Ohlsson der Sache, vorsichtig, bedächtig, ernsthaft, immer aber wertschätzend und liebevoll. Zu großes Tempo hierbei wäre ein Fehler. Keine Gefahr bei dieser Autorin. Sie versteht es mit Feingefühl, die Angespanntheit des Inneren in die richtigen Worte nach außen zu übertragen. Besonders das Wort “Verliebtsein” belastet Fanny, es ist ihr in seiner Bedeutung zu nebulös. So wendet sie sich an die Personen, die sie am besten kennt: Mama und Oma. Diese helfen in einfacher, keineswegs banaler Sprache: “Man kann jemanden ja auch sehr gern haben, ohne verliebt zu sein”, meint Mama. Klugerweise müllen sie Fanny nicht mit Fachwissen aus der Erwachsenenwelt zu. Der Tag nimmt seinen Lauf, wie sonst auch. In Fanny arbeitet das Thema weiter und schwappt immer wieder an die Oberfläche.

Abschluss und Lösung findet Fanny schließlich mit einer haptischen Tätigkeit, dem Bemalen des Schmetterlings-Steines in Esters Lieblingsfarben. Sie wird ihn ihr schenken, darum schreibt sie auch in Glitzerfarben ESTER drauf. 

Sara Ohlsson weiß, wie man aus einem scheinbar winzigen Thema eine wundervoll-spannende, beglückende Geschichte machen kann, wenn man nur nahe genug an der Kinderseele bleibt. Die Bleistiftzeichnungen der großartigen Illustratorin Jutta Bauer ergänzen im Gleichklang das heiter-ernste Buch, das zu den Edelsteinen der aktuellen Kinderliteratur zählt. 

Lesealter: 7-9 Jahre
Daumen:  5

Der Leuchtturmwärter und ich (2021)

“Der Leuchtturmwärter und ich”
von Michael Morpurgo (Autor), Benji Davies (Illustrator), Henning Ahrens (Übersetzer)
ISBN: 9783734841095
Verlag Magellan

Michael Morpurgos Bücher verdienen besondere Beachtung. Er zählt zu den bekanntesten englischen Schriftstellern. Hochgelobt und vielfach ausgezeichnet. Im Juli 2021 erschien sein Buch “Der Leuchtturmwärter und ich” auf Deutsch mit einem geheimnisvollen Schluss, der Spekulationen Nahrung gibt, es stehe in biografischer Nähe zu ihm. 

Auf dem Viermast-Schoner Pelikan von New York nach Liverpool befindet sich auch Allen Williams mit seiner Mutter. An den Felsen vor den Scilly Inseln im Südwesten Englands zerschellt die Pelikan. Doch die Passagiere werden alle von dem aufmerksamen Leuchtturmwärter gerettet. In dieser stürmischen Nacht bittet er sodann all in seine Leuchtturm-Wohnung und versorgt sie mit heißem Tee und Keksen. In Allen breitet sich ungeahntes Gefühl der Geborgenheit sowie Zuneigung zu dem wortkargen, etwas verschrobenen Benjamin Postlethwaite aus, die ihn sein Leben lang begleiten soll. Mehr noch, aus diesen Stunden erwächst für ihn der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die getragen ist von Achtung und Respekt zu diesem Mann, dessen Hilfsbereitschaft und erfülltes Leben Allen gefangen nimmt. 

Jahre danach hört dieser durch Zufall wieder von dem skurrilen Einsiedler mit dem goldenen Herzen. Eine Zeitschrift berichtete, Benjamin Postlethwaite sollte für die Rettung der Passagiere einen Orden bekommen. Doch der “Held” lehnte ab, er habe lediglich nur ausgeführt, was selbstverständlich ist. Von da an sucht Allen wieder dessen Nähe. Als Allen heiratet, zieht auch seine Frau zu ihm in die blühende, Leben spendende Einsamkeit rund um den alten Leuchtturm.

Dem aufmerksamen Leser entgeht nicht, dass Allen und der Schriftsteller Michael Morpurgo so manches Gemeinsamkeit teilen. Allen wird Schriftsteller, wie auch Morpurgo einer ist, beide lieben das Leben auf dem Land, wie Morpurgos Frau heißt Allens Frau Clare. Und Allen schrieb ein Buch mit dem Titel “Der Leuchtturmwärter und ich” wie eben Morpurgos Werk, das Thema dieser Rezension ist. 

Allens Buch kenne ich nicht, aber über Morpurgos Werk ist eine einfache, zu Herzen gehende Geschichte, die in der atmosphärisch starken Umgebung von Leuchtturm, Inseleinsamkeit und rauer See wunderbar unterhält und berührt. Dem Charakter dieser Szenerie ist der Leuchtturmwärter angepasst: kauzig, aber liebenswert. 

Benji Davies’ detailreiche Illustrationen verstärken stimmungsvoll das Leben am Meer und verleihen den Personen Ernst und Würde, nicht ohne augenzwinkernden Witz und Doppeldeutigkeit.      

Lesealter: 9-12 Jahre
Daumen:    5