Janine mit ihrer neuen Freundin Veronika
Die Zeiten für den Aufbau deutsch-tschechischer Freundschaften stehen nicht zum Besten. Politiker der konservativen Garde, heißen sie nun (auf tschechischer Seite) Ministerpräsident Zeman oder Parlamentspräsident Klaus,
setzen bewusst die in den letzten Jahren erreichten Erfolge des einander näher Kommens fahrlässig und mutwillig aufs Spiel. Wie leicht wird es da den Ewig-Gestrigen auch auf unserer Seite gemacht, die Pflänzchen des Verständnisses und Wohlwollens zu zertreten!
Gerade deshalb war vielleicht der Jugendaustausch zwischen den beiden Ländern noch nie so notwendig wie heute. Hat sich einmal die Jugend kennen gelernt und miteinander positive Erfahrungen gemacht, laufen Politiker mit ihren rückwärts orientierten Parolen vielleicht ins Leere. Beruhigend ist zumindest, dass Bundespräsident Johannes Rau und Staatspräsident Vaclav Havel kürzlich den Alltagskram hinter sich lassend die gemeinsame Zukunft beschworen.
Es war befreiend zu sehen, dass die Populisten Zeman oder Klaus nicht das Volk sind. Die Partner der Rudertinger und Neukirchener widerlegten sie.
Als sich unser Bus der Böhmerwald - Ortschaft Ktis (Tisch), in dessen Jugendhaus die Rudertinger wie Neukirchener auch letztes Jahr untergebracht waren, näherte, erhob sich unter den Schülern ein vielstimmiger Jubel. Die angenehmen Erinnerungen wurden übermächtig. Und sie sollten sich bei diesem Besuch weiter vertiefen.
Im Falle der Klasse 3a Volksschule Neukirchen v.W. mit ihrer Lehrerin Marieluise Hoffmann erwies sich der Besuch in der Volksschule (Zakladni skola) Ktis als ein Routine – Besuch unter Freunden. Hier spielen große Besuchs-Zeremonien keine Rolle mehr. Die Kinder begegnen einander und beginnen sogleich mit dem gemeinsamen Spiel. Besuche beinhalten hier schon so viel Selbstverständliches und Natürliches, dass jegliche Aufregung der Vergangenheit angehört. Und das ist gut so. Je normaler der Umgang miteinander abläuft, desto höher ist der Grad der Beziehung zueinander. Die Lehrer nutzten diese Zeit zum Feiern: Die tschechische Lehrerin Alena Piktrtova, die sich in den letzten Jahren vor allem um die Partnerschaft bemühte, wurde kürzlich zur Direktorin dieser Schule ernannt. Und dass die Regierung in Prag der Schule Ktis soeben vier Computer mit Internetzugang sponserte, wird die Beziehung zwischen den beiden Schulen nur vereinfachen.
Die Rudertinger (Klasse 4a mit Lehrer Albert Hoffmann) hatten es diesmal mit einer neuen Partnerschule zu tun: mit Stachy (Stachau), zwischen Vimperk (Winterberg) und Kaspersky hory (Bergreichenstein) gelegen. Und wie wurden sie empfangen! Alles, was Rang und Namen in Stachy hat, ließ es sich nicht nehmen, zur Begrüßung der Rudertinger zu erscheinen. Schnell war klar, dass der Wunsch zur Zusammenarbeit nicht nur von Ruderting ausgeht. Schule und Gemeinde Stachy sind brennend daran interessiert und überschütteten die Rudertinger mit Ideen und Vorschlägen. Bald schon stellte sich auch heraus, dass man sich auf einer gemeinsamen kulturellen Ebene bewegte:
Stachy, das ist die Gegend, die der deutsch-tschechische Schriftsteller Karl Klostermann durchwanderte und über die er seine Bücher schrieb. Klostermann lebt immer noch in den Köpfen der Bewohner Stachys; auf deutscher Seite erlebt er zurzeit – dank Gerold Dvorak und dem Stutz Verlag - eine Rennaissance. Stachy ist aber auch der Geburtsort von Andreas Hartauer,
dem Komponisten und Texter des Liedes „Tief drin im Böhmerwald“. Wie Karl Klostermann wird auch er – obwohl deutschstämmig – seit jeher von der tschechischen Bevölkerung geehrt und geliebt. Sein so berühmtes Lied wird auch von der tschechischen Jugend gesungen. Ganz in der Nähe von Stachy kam übrigens auch Bedrich Smetana die Idee für sein sinfonisches Werk „Die Moldau“.
Gern wird in Stachy auch von einer alten Tradition berichtet, die vor Hitlers unseligem Krieg in diesem Ort gepflogen wurde. Ein tschechischer junger Mann wurde grundsätzlich zu einem deutschen Meister in die Lehre geschickt, ein deutscher Junge zu einem tschechischen Meister. Nach der Lehrzeit kannten die jungen Leute nicht nur das beruflich-technische Know-how der anderen Bevölkerungsgruppe, sondern auch deren Sprachen sowie deren kulturellen Gepflogenheiten.
Diese Fülle an Gemeinsamkeiten lässt hoffen. Während die Schüler miteinander spielten, eine Wetterwarte besichtigten sowie den Ort erkundeten, reiften beim Lehrerteam bereits weitere zukünftige Aktionen.
Die schönen Tage in Tschechien klangen aus mit Besuchen von Hluboka und Krumau, mit dem Skizzieren von Häuserfronten auf dem Stadtplatz in Budweis, mit dem Sammeln von Heilkräutern, die auf dem Schulhof in Ruderting weiter wachsen sollen, mit der Erstellung eines Natur-Mandalas, mit Lagerfeuer – Romantik und Meditationen. Voller Eindrücke und neuer Erfahrungen kehrten die Schüler zurück. Das wohl Wichtigste im Gepäck allerdings waren die Adressen der neuen tschechischen Freunde, denen man versprach, baldmöglichst zu schreiben.
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