Die Steinbrüche an der Ilz bei Fischhaus
Wer heute auf dem Ilztalwanderweg von Fischhaus in Richtung Mausmühle wandert, wundert sich vielleicht bei einer genaueren Betrachtung der Landschaft über Felswände, die - mit Bäumen und Büschen zugewachsen - fast verwunschen wirken. Diese Felswände, ca 1 km hinter der Ortschaft Fischhaus gelegen, sind die Überreste eines intensiven Felsabbaus vom Ende der Zwanziger Jahre bis Ende der Fünfziger Jahre im vergangenen Jahrhundert.
Georg Peter sen. aus Ruderting hat gemeinsam mit seinem Vater und zwei Brüdern in den Jahren vor und nach dem zweiten Weltkrieg hier gearbeitet. Josef Kühberger aus Gastorf war ebenfalls nach dem 2.Weltkrieg im Steinbruch beschäftigt. Vor dem Krieg brachte er seinem Vater das Essen in den Steinruch. So erlebten beide die Arbeit sowie die Mühen und Gefahren in den Steinbrüchen an der Ilz bei Fischhaus.
Von ihnen stammen auch die folgenden Erinnerungen:
Nach der Weltwirtschaftskrise wurde Ende der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit dem Felsabbau an der Ilz bei Fischhaus begonnen. Die drei Stein-
brüche, der Fischhauser Steinbruch, der Muttenhammer Steinbruch und der Gastorfer
Steinbruch lieferten die Felsen, die zu Schotter, Kies und Sand gebrochen wurden.
Unmittelbar an den Steinbrüchen führte die Waldbahn vorbei. Das gewonnene Material wurde
auf einem eigenen Gleisanschluss auf die Güterwaggon verladen. Dazu wurde der
Schotter mit sogenannten Loren per Hand über ein Gleis auf einer Rampe über die
Waggon geschoben. Dort wurden die Ladewannen der Loren umgekippt und die Ladung dadurch entleert. Waren die Waggons voll geladen, wurden sie mit einer eigenen Lok zum Bahnhof Fischhaus
gezogen und von dort mit Güterzügen weitertransportiert.
Die Arbeit in den Steinbrüchen, in der Blütezeit sogar in zwei Schichten, war schwierig
und gefährlich. Im Mai 1933 ereignete sich ein tragisches Unglück. Offensichtlich durch
die Arbeiten am Fuß der Felswand und die Einwirkung von Frost und Wasser löste sich
während der Arbeit ein Teil der Felswand und verschüttete einige Arbeiter. Während
Michael Habereder sofort getötet wurde, verstarben Franz Wurm und Rudi Knab im
Krankenhaus Passau an ihren Verletzungen. Die Schwerverletzten wurden mit einem Güterzug nach Passau gefahren und vom Bahnhof mit Leiterwagen zum Städtischen
Krankenhaus transportiert. Dabei wurde zur damals stattfindenden Maidult der Exerzierplatz überquert. Die Leichtverletzten kamen zur Versorgung der Verletzungen in das Krankenhaus Hutthurm.
Die Steinbrüche waren zu Beginn der Arbeiten nur über die Waldbahn und zu Fuß erreichbar.
Die Straße von Ruderting nach Fischhaus wurde erst 1935-1936 auf der jetzigen Trasse gebaut, die Ilzbrücke in Fischhaus erst 1954 errichtet. Bis dahin konnte Ruderting von
Fischhaus aus nur über einen Trampelpfad und einen Waldweg über den Reithof erreicht
werden.
Die Ilz konnte bei Fischhaus nur mit einer Zille oder mit Fuhrwerken durch eine
Furt überquert werden. Den Fährdienst über die Ilz versah das Gasthaus Jungwirth in Fischhaus.
Für die Beschäftigten bedeutete dies natürlich erhebliche Strapazen. Die Arbeiter waren
dabei jeden Tag zum Teil Stunden zu Fuß unterwegs.
In den bereits erwähnten Spitzen-
zeiten haben über 30 Arbeiter dort ihr hartes Brot verdient. 1933/1934 betrug der Stundenlohn
33 Pfennig. 1947, nach dem Krieg, wurden pro Stunde 80 Pfennig bezahlt. Trotzdem waren
die Männer froh, eine geregelte Arbeit mit einem regelmäßigen Lohn zu haben. In der
damaligen Zeit wahrlich keine Selbstverständlichkeit.
Arbeitern, die in der Nähe wohnten,
wurde das Essen bzw. die Brotzeit von Angehörigen, meist den Kindern, in den Steinbruch
gebracht.
Einen der viel begangenen, jetzt aber kaum mehr sichtbaren Wege, hat der Wegewart der Sektion Ruderting des Bayerischen Wald-Vereins, Sepp Kühberger aus Gastorf, wieder hergerichtet.
Der Steinbruchsteig führt vom Fundament des „ Neuen „ Steinbeisser auf die Höhen über der
Ilz bei Gastorf. Sicherlich nicht nur ein Schmankerlweg für die Einheimischen.
Kernstück der Anlage war der sogenannte Steinbeißer. Hier wurden die Felsbrocken,
die über eine eigene Gleisanlage von den drei Steinrüchen angeliefert wurden, zu
Schotter und Kies gebrochen. Die Brechanlage wurde von einer Dampfmaschine
über Riemen, einer sogenannten Transmission, angetrieben. Diese Dampfmaschine
wurde mit Kohlen und auch mit Torf aus Haidmühle beheizt. Nach dem zweiten
Weltkrieg wurde die Dampfmaschine durch einen Dieselmotor ( es wird von einem
Schiffsdieselmotor berichtet ) ersetzt.
Schotter und Kies wurden über eine Siebanlage nach Größe sortiert. Der Schotter wurde vor allem zum Eisenbahnbau verwendet. Aber auch der Kies fand starken Absatz. Er wurde zum Teil per Schaufel und Schubkarre auf die Waggon verladen. Der Sand wurde in den Jahren vor dem Krieg mehr als ein Abfallprodukt gesehen. Der Betriebsleiter, Paul Hildebrandt
war deshalb froh, wenn im Winter die Bauern aus der Hutthurmer Seite den Sand mit
Schlitten über die zugefrorene Ilz fuhren und von dort später wieder heimbrachten. Die
beengten Abraum- und Lagerplatzflächen wurden dadurch entlastet. Nach dem Krieg war aber auch der Sand sehr begehrt und ein wichtiger Bestandteil des Umsatzes.
Aber auch die Bauern aus den Nachbardörfern nutzten den Steinbruch. Während der ruhigen
Zeit im Herbst wurde mit Fuhrwerken Abraum ( Felsbrocken, Kies- u. Sandreste, ) , der mit
der Schaufel oder per Hand auf den Wagen geworfen wurde, auf beschwerlichen Wegen weggefahre. Damit sind die Wege wieder instandgesetzt oder neugebaut worden.
Stefan Schwaiberger aus Hatzesberg hat selbst in jungen Jahren täglich zwei Ladungen
aus dem Steinbruch bei Fischhaus geholt. Damit wurde der Weg von Hatzesberg nach
Ruderting neu gebaut. Um einen Hohlweg zu umgehen, wurden mit dem Pflug zwei
Rinnen in die angrenzende Wiese gerissen und diese mit dem Abraum zu einem
einigermaßen fahrbaren Weg aufgefüllt.
Zum Ende der fünfziger Jahre wurde es still in den Steinbrüchen. Innerbetriebliche Probleme
führten schließlich zur Einstellung des Betriebs. Die Fa. Greisel aus Blindham bei Ortenburg
versuchte anfangs der Sechziger Jahre einen Neubeginn. Das Betonfundament für einen
neuen Steinbeißer wurde errichtet. Aber auch diese Bemühungen verliefen wieder im Sande.
Gerüchten zufolge waren dabei Grundstücksfragen und der Bahnanschluss Auslöser für
die Einstellung der Arbeiten.
Die Steinbruchlöcher erfüllten aber noch einen weiteren Zweck. Von der Gemeinde Ruderting
wurde eine regelmäßige Müllabfuhr eingerichtet. Für die damalige Zeit ein Novum. Jeden
Samstag wurden die Mülltonen per Hand auf einem Lastwagen geleert und anschließend in
den Steinbruch gekippt. So wurden im Bereich der Steinbrüche die Mulden und Vertiefungen
im Laufe der Zeit mit Müll gefüllt und mit Erdaushub abgedeckt. Diese Flächen wurden
dann mit Fichten bepflanzt. Heute sind aber die alten Fundamente der Dampfmaschine und des Steinbeißers noch zu besichtigen.
Beim Bau der neuen Rudertinger Kläranlage an der Ilz waren von dieser wechselvollen
Geschichte nur mehr einzelne Hinweise zu sehen.