Fast schon ist sie ausgestorben, die gute alte Kunst des Erzählens. Kaum jemand in Elternhaus und Schule pflegt sie heutzutage noch. Früher, ja da gab es Geschichtenerzähler in jedem Dorf; vor allem die Großmütter leisteten hier Großartiges.

Else Hübner ist in der Mitte!!
Wer die Kinder beim Hören von Märchen, Sagen und Legenden beobachtet, wird zu seiner Überraschung feststellen, dass sie auch im heutigen Computer- und Fernsehzeitalter noch süchtig nach Geschichten sind.
Unsere Schule griff diese Tatsache auf und organisierte "Erzählstunden". Dazu lud man sich Gäste ein; Leute, von denen man wusste, dass sie begnadete Erzähler sind: Frau Else Hübner, die Schriftstellerin aus Ruderting, und Michael Fischl, den Altbürgermeister von Tittling.
Um auch eine entsprechend anregende Atmosphäre zu schaffen, ließ man die Erzähler in einem Zelt agieren, das groß genug für eine ganze Klasse war. Und so sponnen sie ihre Geschichten für die Kinder, die nahezu hautnah um sie herum am Boden saßen, so wie es vielleicht einstmals auch gewesen sein mag; abgegrenzt und eingehüllt von der Zeltplane. Kein Wunder, dass sich hierbei eine sehr dichte Stimmung ergab.
Else Hübner erzählte von den Kriegszeiten, den Tagen, vor allem aber Nächten, die sie als Kind unter Lebensangst in den Luftschutzkellern in Duisburg verbrachte; wenn Bomberstaffeln über der Stadt kreisten und ihre tödliche Last abwarfen; wenn sie nicht wusste, ob sie den nächsten Tag noch erleben wird; als das Leben unter der Erde zur Normalität wurde. Sie berichtete von den verzweifelten Versuchen der Nationalsozialisten, mit Kindern und alten Leuten, die man in einem Schnellkursus im Panzerfaustschießen ausgebildet hatte, gegen die heranrückenden amerikanischen Soldaten vorzugehen. Ihre Geschichten klangen so lebendig, als wären sie erst gestern passiert. Nicht von ungefähr wurde ihr Buch zu dieser Thematik "Tagträume und Bombennächte" in die Empfehlungsliste für Schulbibliotheken aufgenommen.
Michael Fischl ist Spezialist für das Leben im Dorf früherer Zeit. Als Historiker hat er sich nicht nur in Tittling einen Namen gemacht. Er wusste plastisch und anschaulich über die erste Besiedlung Rudertings zu berichten: über Leid und Freud des Ruedhartinger und seiner Sippe, über die Aufteilung des Landes nördlich der Donau an Bischof und Herzog und über die Zugehörigkeit Rudertings zur Pfarrei Tiefenbach. Er verstand es, historische Situationen mit farbigen Beispielen auszumalen, zum Beispiel, wenn er vom Pfarrer in Tiefenbach erzählte, der auf hohem Ross seine Pfarrangehörigen besuchte.
Doch am Ende musste er auch noch über das frühere Leben in einem Dorf aus der Sicht eines Zehnjährigen berichten. Man hätte eine Nadel fallen hören können, als er von den Streichen des Lausbuben Michael Fischl erzählte.
Als Dritter gab
Albert Hoffmann, der sechs Jahre in Asien lebte und den Dschungel Malaysias auf vielfältige Weise kennenlernte, Geschichten über Schlangen, Affen und Skorpione zum Besten.
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